06.06.2017

Aardbeiendag 2017

Erdbeertag in NL-`s-Hertogenbosch

Jo Verkuijlen, Lizenznehmer für die Niederlande, setzt auf `Murano´ als Wintersorte unter Glas für die Ernte von Dezember bis März. Die Sorte liefert sehr feste, im Handel gut haltbare Früchte. Sie braucht mehr Wärme, aber weniger Licht als `Sona-ta´

Der Klimawandel und seine Folgen für die Branche war das Hauptthema beim diesjährigen Aardbeiendag Anfang Januar im niederländischen `s-Hertogenbosch. Traditionell wird dieser Vortragstag zu allerlei Themen rund um den Erdbeeranbau immer einen Tag vor der International Soft Fruit Conference (wir berichteten) am gleichen Ort abgehalten. Gut 500 Erdbeerproduzenten hatten den Weg in die Hauptstadt der niederländischen Provinz Nordbrabant gefunden.

Durch den Tag führte Margot Ribberink, eine in den Niederlanden bekannte TV-Wettermoderatorin, die in ihrem abschließenden eigenen Vortrag die aktuellen und noch zu erwartenden dramatischen Folgen des Klimawandels erläuterte und auf eine Zunahme von Wetterextremen hinwies. Zwar konnte Mark van Aert, Vorsitzender der Erdbeeranbaugruppe der LTO, das Jahr 2016 insgesamt als gutes Erdbeerjahr verbuchen, aber es war von Wetterkapriolen gekennzeichnet, darunter besonders verheerend ein Hagelsturm, der am 23. Juni über Ostbrabant niederging. Pfingsten sei das kälteste seit 75 Jahren gewesen, während im September die Nächte so heiß wie die Tage gewesen seien. Anders als das Wetter seien die Preise für Erdbeeren jedoch alles in allem recht gut gewesen. Zwar wurden etwas weniger Kilos gepflückt, dies habe der Preis aber wettgemacht.

Zutaten für einen guten Boden

Was bedeutet eine Bodenanalyse und wie ist sie zu lesen? Darüber informierte Arjan Reijneveld vom landwirtschaftlichen Analyse- und Beratungslabor eurofins Agro. Mit einer Bodenanalyse werden die chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften des Bodens bestimmt. In Abstimmung auf die Kultur können dann mit gezielter Nährstoff- und Wasserzufuhr die Qualitäten der Pflanzen und die Erträge verbessert werden.

Bei der Interpretation der Analysewerte ist zu beachten, dass der Bodenvorrat an Nährstoffen nicht unbedingt der Verfügbarkeit entspricht. Eurofins Agro unterscheidet daher bei seinen Bodenanalysen zwischen direkt verfügbaren Nährstoffen während der Saison und Möglichkeiten des Bodens, Nährstoffe nachzuliefern (Pufferkapazität). Auf inhomogenen Flächen sollten für die „guten“ und die „schlechten“ Bereiche getrennte Proben genommen werden, um der Sache auf den Grund zu gehen. Bei homogenen Feldern wird in W-Form über das Feld gegangen und an mehreren Stellen Proben gezogen, die man am Ende mischt.

Was braucht eine Erdbeerpflanze? 90 % Wasser und 10 % Nährstoffe. Von diesen 10 % sind wiederum 90 % Kohlenstoff und Sauerstoff und nur 10 % sonstige. Die sonstigen Nährstoffe machen also nur 1 % der ganzen Pflanze aus, aber diese müssen in Ordnung sein, betonte Reijneveld. „In Ordnung“ heißt vorhanden, verfügbar und nachlieferbar. Von den Analyseergebnissen für Erdbeeren aus 2016 musste der Referent berichten, dass bei 20 % der Proben viel zu wenig und bei weiteren rund 60 % der Proben etwas zu wenig Calcium vorhanden war. Calciummangel führe beispielsweise zu eingetrockneten Blatträndern. Bei 25 % der Proben fehlte Bor, was zu Krüppelfrüchten führen kann.

Widerstandsfähig kultivieren

Über Biostimulatoren informierte Jolanda Wijsmuller, Fa. Bayer CropScience: „Biostimulatoren haben keine direkte ernährenden Eigenschaften, aber sie können der Pflanze helfen, Nährstoffe aus dem Boden effizient aufzunehmen und stressige Zeiten besser zu überstehen.“ So tragen sie dazu bei, dass die Pflanzen die heute geforderten Qualitäten und Erträge bringen können. Biostimulatoren haben keinen direkten Einfluss auf Krankheiten und Schädlinge, aber sie können dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Pflanze zu erhöhen.

Zu den Biostimulatoren, die in der EU als Düngemittel gelten, gehören verschiedene Stoffe: Chitosan und andere Polymere, anorganische Stoffe wie Aluminium, Kobalt, Natrium, Silicium oder Selen, Nutzpilze und Nutzbakterien, Humin- und Fulvinsäuren, Aminosäuren sowie Algen und Pflanzenextrakte. Sie haben verschiedene für die Pflanze förderliche Eigenschaften wie verbesserte Stresstoleranz, stärkere Zellwände, verbesserte Nährstoffaufnahme, vitaleres Wachstum, gefördertes Bodenleben.

Die Rednerin wies darauf hin, wie wichtig organische Stoffe für das Bodenleben und somit für die Bodenqualität sind. Bodenstruktur, Wasserhaltevermögen und Nährstoffquelle sollten bei der Bodenbearbeitung und/oder Erntetätigkeiten nicht zerstört werden. „Gute Bedingungen im Boden können robuste Pflanzen hervorbringen!“ Ein gesundes Bodenleben sei auch Quelle für die Produktion natürlicher Biostimulatoren.

Drosophila suzukii beherrschen

Für Insekten wie die Kirschessigfliege sind milde Winter ideal, um ihr Verbreitungsgebiet auszuweiten. Seit 2012 ist die Drosophila suzukii auch in den Niederlanden unterwegs. Besonders Kirschanbauern macht sie zu schaffen, denn die Fliegen legen nach der Überwinterung als adulte Tiere ihre Eier in die Früchte, sobald sich die ersten zu verfärben beginnen (Anfang Juni). Rund drei Wochen später ist daraus die erste Generation geschlechtsreifer Fliegen geworden, der noch fünf weiter folgen können, wie Herman Helsen, Wageningen Plant Research, berichtete. Wie die Schädlinge die Zeit nach der Überwinterung bis zur ersten reifen Kirsche überstehen, der Antwort auf diese Frage ist man in Wageningen etwas näher gekommen: Im Frühjahr beginnen die überwinterten Fliegen direkt damit, Eier in die Früchte von Wirtspflanzen wie die Japanische Goldorange (Aucuba japonica), Ölweiden (Elaeagnus) und Skimmia zu legen. Auf diesen frühen Wirtspflanzen können sie sich gut vermehren. „So sind wir insgesamt schon bei sieben Generationen pro Jahr. Ein erwachsenes Weibchen kann ein paar hundert Eier legen, das erklärt, warum die Fliegen im August in Massen auftreten können“, so Helsen. Auch Efeu (Hedera helix) kann eine Wirtspflanze für Drosophila suzukii sein, in den Niederlanden wurden bisher keine Fliegeneier in den im Frühling reifenden Früchten gefunden, wohl aber in Italien und der Schweiz.

Aufgrund der raschen Generationenfolge wird der Befallsdruck im Juli/August massiv. Kirschessigfliegen sind dann nicht nur an Obstkulturen, sondern auch an Wildpflanzen und Zierpflanzen zu finden, wie in den Niederlanden beobachtet wurde. Somit ist der Befallsdruck in Erdbeeren stark abhängig von der Umgebungsbotanik und der Zeit im Jahr, so Helsen. Besonders späte Erdbeerkulturen seien betroffen. Um die Schädlinge in Schach zu halten, sei neben chemischen Maßnahmen vor allem eine konsequente Hygiene entscheidend. Graseinsaaten, beispielsweise unter Stellagenkulturen, seien kurz zu halten, denn die Fliegen halten sich am liebsten in geschützter, feuchter Umgebung auf. In wie weit vertikale Netze an den Feldrändern einen Zuflug verhindern können, soll noch weiter erforscht werden, so der Referent. Gesucht wird in Wageningen auch nach geeigneten Schlupfwespen als Nützlinge und insektenschädigenden Nutzpilzen.

Als vielversprechend schätzt Helsen die Bekämpfung von Drosophila suzukii mit sogenannten Baitsprays ein. Das sind Mischungen aus einem Insektizid in geringer Dosierung mit Zucker und Eiweißen, die die Fliegen gerne fressen. In Versuchen mit Käfigen im Freiland wirkte diese Methode sehr effektiv. Abschließend stellte der Forscher fest, dass aktuell einige vielversprechende Techniken zur Bekämpfung der Kirschessigfliege in Entwicklung seien, die den chemischen Pflanzenschutz ergänzen oder gar ersetzen können.

Ende der Chemie in Erdbeeren?

Weniger bis keine Chemie in der Erdbeerkultur: was unter Glas und Folie bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten bereits gut funktionieren kann, bleibt im Freiland eine Herausforderung. Delphy-Berater Harrie Pijnenburg nannte angepasste Kultursysteme, Nützlingseinsatz und die Nutzung von „grünen“ Mitteln als Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz. Aber ganz einfach sei das nicht. Insbesondere im Freiland sei der Krankheitsdruck nun einmal höher und es sei wegen deren Flüchtigkeit kaum möglich mit Nützlingen zu arbeiten.

Die Palette an biologischen Mitteln zur Gesunderhaltung von Erdbeerpflanzen vergrößere sich rasch, so der Pflanzenschutzexperte. Es stünden verschiedene Mittel auf Basis von Pilzen, Bakterien oder anderer biologischer Herkunft zur Verfügung und jährlich kämen neue Produkte hinzu. Es sei eine beachtliche Liste, aber daraus lasse sich nicht schließen, dass Erdbeeren komplett biologisch kultiviert werden könnten. Denn viele der Mittel seien nur im geschützten Anbau zugelassen. Im Freiland hätte der ergänzende Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln vorerst durchaus seine Notwendigkeit, dennoch sollten auch hier zuerst alle biologischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Der Markt für Beerenfrüchte wächst

Der europäische Beerenmarkt boomt. Allerdings fällt das prognostizierte Wachstum für Erdbeeren in den kommenden fünf Jahren mit 2 % vergleichsweise gering aus; für Heidel-, Him- und Brombeeren werden mindestens 7 % Wachstum prophezeit, wie Arne Bac, Rabobank Nederland, berichten konnte. Seiner Meinung nach sollte der Markt mit Verbesserungen in der Verfügbarkeit, der Qualität, der Bezahlbarkeit und der Werbung für Gesundheit, Vielseitigkeit und Verwendungsideen weiter belebt werden.

Das Anbieten des kompletten Beerensortiments an den Lebensmitteleinzelhandel bleibt für die großen Beerenlieferanten schwierig, denn die lokale Produktion muss mit Importware aus Anbaugebieten innerhalb und außerhalb der EU kombiniert werden. Dennoch sieht der Experte trotz der billigeren Konkurrenz aus Ost- und Südeuropa Perspektiven für die lokale Produktion beispielsweise in den Niederlanden, auch unter Glas. Diese Konkurrenz aus aufstrebenden Anbaugebieten, die zurzeit kräftig in ihre Produktion investieren, werde allerdings zunehmen, vor allem in den Wochen, wo sich die Erntesaisons überlappen. Für nahezu alle Klimate seien gute Sorten verfügbar.

Daher sei es umso wichtiger für niederländische Anbauer, sich mit hochwertigen Produktqualitäten vom Markt abzuheben. Flächenausdehnungen sollten wohlüberlegt sein; insbesondere bei Erdbeeren drohe sonst ein Überangebot. Die Auswahl der richtigen Sorte und des richtigen Absatzweges werde immer bedeutsamer. Sorten sollten rascher ausgetauscht werden als früher. Nachhaltigkeit werde immer mehr zur Bedingung, überhaupt noch produzieren zu dürfen. Die Gefahr von Krankheits- und Schädlingsbefall bleibe bestehen, während die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln eingeschränkt werde. Beerenobstproduzenten empfiehlt Bac, mit einem der großen Beerenobsthändler zusammenzuarbeiten, was schon mit der gemeinsamen Sorten- und Anbauplanung beginnen sollte.

Witterung und Spritzstrategie

Dass man bei Regen keine Pflanzenschutzmittel ausbringt und dass Insektizide am besten wirken, wenn die Insekten aktiver und die Temperaturen höher sind, ist bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass einige Mittel durch UV-Licht rasend schnell zersetzt werden und es deshalb besser ist, abends zu spritzen. Und dann ist noch die Frage, wie sich das Wetter morgen und übermorgen entwickelt wird und welchen Einfluss das auf die Applikation hat, die der Gärtner heute machen möchte. Mit diesem Wissen kann es gelegentlich vernünftiger sein, eine Pflanzenschutzmaßnahme zu verschieben. Agrarmeteorologe Erno Bouma wies auf die SpuitWeerWijzer App (www.appsforargri.com) hin, die lokale Wetterprognosen auswertet und dem Gärtner so den besten Spritzzeitpunkt innerhalb der nächsten 48 Stunden anzeigt.

Außerdem stellte der Wetterexperte die Wetterstation Fieldmate vor, mit der Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in 150 und 5 cm Höhe über dem Boden, in 5 und 25 cm Tiefe im Boden sowie die relative Luftfeuchtigkeit über dem Boden gemessen werden. Diese Informationen werden gemeinsam mit Daten zu Niederschlag, Wind, Blattnässe, Einstrahlung und Taupunkt alle halbe Stunde erfasst und über eine App weitergeleitet. Die Daten werden für die Vorhersage des Krankheitsdrucks für eine Reihe von Pflanzen für die kommenden fünf Tage genutzt (Fieldhealth Crophealth Module).

Bouma lieferte auch ein Szenario, was der Klimawandel (längere Dürren, wärmer, mehr schwere Niederschläge) für Schaderreger im Erdbeeranbau und die Wirkung der Pflanzenschutzmittel bedeutet. Bei Botrytis ist es beispielsweise vorstellbar, dass die Zahl der Infektionen zunimmt und somit pro Jahr zwei Behandlungen mehr nötig sein werden. Nematoden, Fruchtfäulen, Echter Mehltau, Xanthomonas und Raupen werden zunehmen. Allein Phytophthora scheint laut Prognosen von Bouma nicht vom Klimawandel begünstigt und soll demnach abnehmen.

Was die Wirkung auf die Pflanzenschutzmittel betrifft, so gibt es Unterschiede: Für Fungizide mit Kontaktwirkung sind höhere Temperaturen günstig; die Wirkung von systemischen Mitteln hingegen kann sich durch Feuchtigkeitsmangel und viel Sonne reduzieren. Für Insektizide gilt: je wärmer, je effektiver (vorausgesetzt, sie werden bei dunklem Wetter oder zum Abend hin eingesetzt). Herbizide müssen durch die Wachsschicht aufgenommen werden, was nach einer Trockenperiode und bei höheren Temperaturen schwieriger wird. Grundsätzlich sei die Luftfeuchtigkeit für die Pflanzenschutzapplikation wichtiger als die Temperatur: bei hoher Luftfeuchtigkeit werden die Mittel gut aufgenommen und eine geringere Dosierung ist möglich.

Joost Stallen/Sabine Aldenhoff