24.11.2014

Auf Huchel gesetzt

von Josefine von Hollen

Die alten Huchelsorten sind schwieriger im Anbau und haben einen deutlich geringeren Ertrag. Zwei gewichtige Gründe auf die ertragreichen, ackerbaulich einfach zu handhabenden und bewährten niederländischen Sorten `Gijnlim´ und `Backlim´ zurückzugreifen. Andy Reimers, Landwirt aus Padenstedt bei Hamburg, zäumt sein Erfolgsrezept andersherum auf: „Ich setze auf Geschmack, Qualität und Frische. Deshalb baue ich vorwiegend die alten Huchelsorten an. Nur damit kann ich bei meinen anspruchsvollen Hamburger Kunden punkten.“ Der 35-jährige Landwirt arbeitet mit seinem Vater Bernd eng zusammen. Das gilt jedoch nicht in betriebswirtschaftlicher Sicht. Hier sind die Bedienung der Wochenmärkte sowie die gesamte landwirtschaftliche Produktion streng getrennt und das hat seinen guten Grund.

Von der Schule direkt auf den Betrieb

Nach der landwirtschaftlichen Fachhochschule blieb der junge Reimers mit knapp 18 Jahren direkt auf dem Betrieb. Gerne hätte er die Chance ergriffen, über einen Schulkollegen für eine Zeit nach Australien zu gehen, doch der Vater überredete den vielversprechenden Nachwuchs zu bleiben. „Heute bereue ich das“, gibt Reimers zu, „wenn man erst einmal im Betrieb ist, kommt man nicht mehr weg und dann irgendwann hat man Familie und es geht gar nicht mehr.“ In den ersten drei Jahren  arbeitete Reimers als Angestellter bei seinem Vater. „Der Lohn ist in der Landwirtschaft nicht üppig. Wenn ich in Urlaub fahren oder mir etwas anschaffen wollte, war mir die Frage nach Geld immer etwas unangenehm“, beschreibt Reimers die Situation.

„Mach dich selbständig“

„Irgendwann war ich an dem Punkt, wo es für mich nicht mehr ging“, gesteht der Landwirt ein. Zwei Tage brauchten Vater und Sohn, bis es zu einer Lösung für beide kam. „Probieren wir mal etwas anderes aus. Ich gebe dir zwei Wochenmärkte ab und damit machst du dich dann selbständig“, schlug der Senior vor. Einfach war die Selbständigkeit nicht. Immerhin musste der junge Unternehmer für die Nutzung des Betriebes jeden Monat zahlen und Ackerflächen selbst pachten. Die beiden Betriebe sind somit vollkommen getrennt. Allerdings werden Anschaffung wie Maschinen, Pachtungen und alle anderen betriebswirtschaftliche Entscheidungen gemeinsam diskutiert und getroffen. „Wir machen das jetzt seit acht Jahren so und seitdem gab es nie wieder Streit“, erklärt Andy Reimers mit Stolz, „in dieser Zeit sind wir sehr stark gewachsen. Als ich einstieg, bewirtschafteten wir 2 ha Spargel, jetzt sind es 23 ha.“ Heute hat der Junior 5 ha Spargel, 5 ha Kartoffeln und 2 ha Möhren selbst gepachtet, deren Erträge er komplett über seine Märkte verkauft.

Das Land ist knapp und teuer

Beide Betriebe zusammen haben 120 ha Ackerland zur Verfügung, davon stehen auf 23 ha Spargel, 25 ha Kartoffeln, 5 ha Möhren und 67 ha Mais und Getreide. „Unsere größte Schwachstelle ist, dass wir nur 20 ha Eigenland besitzen“, sorgt sich Reimers. Aber die Kollegen hier sind zumeist große landwirtschaftliche Betriebe mit einigen Hundert Hektar, die kein Land verpachten oder verkaufen möchten. Hier werden horrende Summen für Ackerland gezahlt. Dieses Preisniveau liegt für Reimers weit über seiner persönlichen Schmerzgrenze.

Auf den Spargelflächen wachsen auf gut 10 ha die alten Huchelsorten. Dann folgen 5 ha `Mondeo´, 5 ha `Gijnlim´ und 2 ha `Backlim´, etwas über 1 ha Grünspargel der Sorte `Schneewittchen´ und auf einer kleinen Ecke wird noch der blaue Spargel `Burgundine´ angebaut. „Die Burgundine ist ein schöner Farbtupfer am Stand und wird gerne für Salat gekauft“, erläutert Reimers. Außerdem halten die Reimers noch 3 000 Freilandhühner. Geplant ist, diesen Wirtschaftszweig auszubauen. „Wir sind samstags oft ausverkauft und das danken einem die Kunden mit Abwandern“, begründet Reimers die Planung.

Was dem Kunden schmeckt

Die unternehmerischen Entscheidungen der Reimers werden, das merkt man schnell, nicht vom „Was ist auf meinem Betrieb möglich?“ gesteuert, sondern anders herum vom „Was wollen meine Kunden auf den Wochenmärkten kaufen?“ geprägt. Ist die Spargelsaison vorbei, gehen Kartoffeln, Möhren und vor allem die Freilandeier über die einfach gebauten Marktstände der beiden Landwirte. „Die Huchel liefert uns eine ungleichmäßigere optische Qualität. Deshalb sortieren wir nicht so scharf. Bei uns sind die Stangen mal dünner, mal dicker und krummer – eben nicht so perfekt. Aber das kommt gut an. Es wirkt einfach natürlicher“, erklärt Reimers seinen Verkaufserfolg. Keine Kompromisse werden allerdings bei der inneren Qualität gemacht: „Der Spargel wird im Kühlhaus nicht länger als zwei Tage gelagert und dann konsequent weggeworfen. Wir wollen Frische und geschmacklich höchste Qualität. Da dürfen wir unsere Kunden nicht enttäuschen.“ Dienstags fängt das Geschäft auf den Wochenmärkten erst wieder richtig an und steigert sich bis zum Samstag. Montags wird am wenigsten verkauft. Um diesen Bedarfsschwankungen sowie den hohen Anspruch an Frische gerecht zu werden, werden Folienmanagement, Pflückrhythmus und Kühlmanagement darauf abgestimmt.

Frische und Qualität

Gestochen wird von fünf Uhr morgens bis um elf Uhr, dann wird die Ernte gewaschen und von Hand sowie mit der optischen Sortieranlage sortiert. In der Schockeiswanne kühlt die Ware innerhalb einer halben Stunde auf 1 °C herunter. Vater und Sohn sind Bastler und haben einen alten Milchtank so umgebaut, dass dieser das Waschwasser schon auf ein Grad herunterkühlt, bevor es mit dem Spargel in Berührung kommt. Danach wird der Spargel in die Kisten gepackt und - mit einer Schaufel Crushed Ice versehen - lande auf dem Markt oder in zwei Kühlcontainer mit Berieselungsanlage, die 8 000 kg lagern können. Da sich die Spargelmengen zum Wochenende hochschaukeln, wird  bis zu zwei Tage gelagert. Alles was darüber nicht vermarktet werden kann, wird entsorgt. Zwei mobile Schälmaschinen sind im Einsatz.

Rumänen und Polen als Saisonkräfte

In der Spargelsaison werden 25 Arbeitskräfte gebraucht. Davon setzen die Landwirte vier Mitarbeiter für die Ernte und Aufbereitung der Möhren ein und fünf Personen sowie ein Fahrer sind für die Organisation und den Verkauf der Ware über die Wochenmarktstände verantwortlich. Die Spargelstecher werden mit einem Stundenlohn plus Akkordzusatz bezahlt - für diejenigen, die über dem Durchschnitt stechen. „In diesem Jahr hatten wir leider mit einigen polnischen Mitarbeitern erheblichen Ärger“, erzählt Reimers. Es war äußerst schwierig, mitten in der Saison Ersatz zu finden. So wurden erstmalig rumänische Saisonarbeitskräfte eingestellt. „Ich bin hochzufrieden mit den Leuten“, freut sich Reimers, „kein Alkohol, zuverlässig, fleißig und vor allem willig, das nicht einfache, schonende Stechen zu erlernen und auch durchzuhalten.“ Auch die Zusammenarbeit mit den polnischen Mitarbeitern erwies sich als unproblematisch. Im Gegenteil, die Stechleistung konnte fast verdoppelt werden. Wurden bisher rund 7 kg pro Arbeitskraft und Stunde fertig sortierte Ware geschafft, so sind es jetzt 10-12 kg. „Für Spargelanbauer, die mit niederländischen Sorten arbeiten, hört sich das nicht viel an“, erklärt Reimers, „aber für uns, die wir die weniger ertragreichen, alten Sorten anbauen, ist das ein sehr gutes Ergebnis.“

Hamburgs Wochenmärkte

Der Direktvermarktungsbetrieb wurde von Bernd Reimers und seiner Frau Monika vor 22 Jahren aufgebaut. Die Hofstelle hatte gerade einmal 3 ha Eigenland. Da blieb nur die Entscheidung, Sonderkulturen anzubauen und diese auch selbst zu vermarkten. Mit dem Auto fuhr Monika Reimers früh morgens nach Hamburg zum Markt. Hier stellte man sich brav beim Marktmeister an und bekam beim Rundgang seinen Platz zugewiesen. Feste Marktplätze gab es nicht und man war sehr vom Wohlwollen des Marktmeisters abhängig.

Erst nach einem Jahr bekam die Direktvermarkterin ihren festen Platz zugewiesen. Heute beliefern die beiden Betriebe zehn Wochenmärkte und verkaufen rund um das Jahr Kartoffeln, Möhren, Eier und zur Saison Spargel. Seniorchefin Reimers hat sich heute aus dem Geschäft weitgehend zurückgezogen, aber Andy Reimers hat von den Erfahrungen seiner Mutter stark profitieren können. Sie kennt die eingeschworene Gemeinschaft der Wochenmarktbeschicker genau und sie weiß, wo die besten Märkte sind oder sich gerade entwickeln. Der längste Wochenmarkt in Norddeutschland an der Isenstraße unter der Bahntrasse ist so einer.

„Ich bin längst Chef“

Bernd Reimers will noch fünf Jahre den Betrieb weiterführen. „Von mir aus könnte mein Vater noch länger weiter machen“, meint Andy Reimers, „wir gehen grundehrlich miteinander um. Es gibt keine Geheimnisse, die wir voreinander haben. Wenn einer mal mehr verdient als der andere, so freut uns das einfach nur.“ Deshalb kann der junge Landwirt die Frage seiner Kollegen nicht verstehen, die wissen wollen, ob er nicht einmal Chef sein will. „Ich bin längst Chef“, hält er selbstbewusst entgegen.

Freizeit und Hobby muss sein

Auch auf dem Betrieb wird Spargel über den eigenen Hofladen vermarktet, aber nur in der Saison. „Der Hof liegt sehr abgelegen und ich will auch mit meiner Familie ein Privatleben haben“, begründet Andy Reimers dies. Seiner Frau Kristin und den drei Söhnen hat er mit viel Eigenleistung und Eigenwillen ein Haus auf dem Betriebsgelände gebaut. „Wir arbeiten hart und in der Spargelsaison wird Tag und Nacht angepackt. Hundert Stunden die Woche sind da kein Thema. Das weiß jeder, der Sonderkulturen anbaut“, berichtet Andy Reimers. Eine Auszeit müsse man sich gönnen. Deshalb fährt die Familie jedes Jahr in Urlaub und der junge Landwirt versucht sein Hobby zu pflegen. „Mein Vater hat seine Fische und ich habe den Autofimmel“, erklärt der junge Unternehmer.

Nach der Zukunft gefragt, antwortet der junge Mann nur knapp „Stillstand ist Rückstand“. Man halte die Augen offen für neue, lohnende Marktstände. Ziel sei es, einmal 30 ha Spargel anzubauen. „Aber das muss natürlich immer auf die Vermarktungsmöglichkeiten passen“, gibt Reimers zu bedenken.