„Mit frühen Erdbeeren Geld verdienen“
Welche Systeme sind praktikabel und bezahlbar?
Aus seinem Vortrag anlässlich des Beerenobsttages der Fachgruppe Obstbau Bonn/Rhein-Sieg am 12. Februar 2014 in Köln-Auweiler berichtet Ulrich Herm, Obstbauberatung LWK NRW, VZ Straelen/Köln-Auweiler.
Nach zwei strengen Wintern 2011/2012 und 2012/2013 mit einem kalten langen Frühjahr in 2013 scheint der geschützte und verfrühte Erdbeeranbau gegenüber dem einfachen Flachfeldanbau im Freiland bei Preis und Qualität im Vorteil zu sein. Doch welcher Aufwand ist nötig um die Ernte zu verfrühen? Und wird sich der Aufwand auch im frühen Frühjahr 2014 rechnen?
Dazu einige Überlegungen.
1) Vorüberlegungen
a) Der Erdbeermarkt:
Der seit Jahrzehnten gewachsene Erdbeermarkt in Deutschland entwickelt sich im Laufe der Saison immer wieder auf sehr ähnliche Weise. Auch wenn es bedingt durch „frühe“ und „späte Jahre“ zeitlich versetzte Verläufe gibt, so stellt sich die Preisfunktion der Erdbeeren im Verlauf der Saison meistens als „U-Kurve“ dar. Die besten Preise werden zu Saisonbeginn erzielt, nach einem Preistief zur Hauptsaison werden dann zum Saisonende oft wieder etwas bessere Preise erzielt. Aus dieser langjährigen Erfahrung tendieren die Erdbeerproduzenten zu einer frühen Produktion, oder zumindest zu einer „früheren“ Kultur.
Ausgangslage ist dabei die klassische „`Elsanta´-Flachfeld-Kultur“ mit ihrer Ernte zur Hauptsaison. Was gilt es zu bedenken um früh dabei zu sein?
b) Die geographische Lage:
Der Erdbeererzeuger ist als Landwirt zunächst an seine „Scholle“ gebunden, das heißt seine Produktion findet in einer bestimmten geographischen Lage statt. Damit ist er zunächst von den herrschenden klimatischen und geologischen Bedingungen abhängig.
Frühzeitigkeit ist aber relativ.
Auf europäischer Ebene beginnt die Erdbeersaison in Spanien, Deutschland liegt zwei Monate später im europäischen Mittelfeld und z.B. Schweden fängt erst zwei weitere Monate später mit eigener Ware an.
In Deutschland startet die Ernte in Südbaden, dann in Mittelbaden. Das Rheinland liegt im Mittelfeld, Langförden, Holstein und der Osten Deutschlands folgen über vier Wochen später als Südbaden.
Im Rheinland selbst haben wir die krassen Gegensätze zwischen einer sehr frühen Lage am Rhein (vielleicht noch in Nachbarschaft von einer Raffinerie oder einem Kraftwerk) und keine 30 km weiter westlich die späten Lagen der Voreifel, in denen es zur gleichen Zeit evtl. noch verschneit oder eingefroren ist und die Erdbeersaison im Mittel eine Woche später beginnt.
Es gilt also als einzelner Betrieb die gegebene geographische Lage bestmöglich zu nutzen.
c) Die einzelbetriebliche Planung
Hinzu kommt die einzelbetriebliche Planung des Erdbeerproduzenten:
Wann möchte ich in die Saison starten? Gibt es eine Synergie mit z.B. Spargel? Wie lange dauert die Saison und wann kann ich auch mal mit der Familie in Urlaub fahren? Diese Überlegungen sind relevant für Planung der Frühzeitigkeit des einzelnen Betriebes.
2) Verfrühungsmethoden und deren Bewertung
Ausgangslage ist ein Flachfeld im Freiland mit mehrjährigem `Elsanta´-Anbau.
a) Sorten:
Ein sehr einfaches und effektives Verfahren zur Ernteverfrühung ist die Wahl einer Frühsorte. Mit diesem Verfahren alleine kann mna auf demselben Standort acht Tage Frühzeitigkeit gewinnen. Dazu gibt es inzwischen ein gutes Sortiment an frühen Sorten.
Im Sortenspektrum gilt es immer wieder auf Neuheiten zu achten. Momentan bieten sich neue Frühsorten wie `Garda´ und `Malling Centenary´ zum testweisen Anbau an.
b) Dammanbau:
Der Dammanbau ist ein bekanntes Verfahren, das in unterschiedlicher Ausprägung umfangreich praktiziert wird.
Standardmäßig wird ein Damm mit der Dammfräse durch Dienstleister oder mit eigener Maschine erstellt. Spargelbetriebe, die mit Erdbeeren anfangen, nehmen gerne den Spargeldamm mit Spargelfolie und pflanzen die Erdbeeren zweireihig auf die Dammkrone. Als sehr praktikabel auch für die Erdbeerpflücke hat sich der kleinere einreihige „Erdbeerdamm“ erwiesen. Dieser wird im Abstand von 1,00–1,10 m gefräst, ist oben 35 cm breit und ca. 20 cm hoch. Abgedeckt wird er mit schwarzer Mulchfolie der Stärke 30–50 µm (Weiße Mulchfolie wird für Terminkulturen mit späterer Pflanzung verwendet, weil sich diese nicht so stark erhitzt). In den Damm werden Tropfleitungen gezogen mit 0,5–1 l/h-Tropfern, die im Abstand von 20–30 cm eingearbeitet sind. Zur Einspeisung von Wasser und Flüssigdünger (Fertigation) werden Kopfleitungen mit entsprechenden Filtern, Druckventilen und der Vorrichtungen zur Düngeeinspeisung benötigt.
Dammanbau
Vorteile:
Leichte Verfrühung 1-2 Tage
bessere Fruchtausreife, höherer Ertrag
bessere Fruchtqualität
weniger Herbizide auf Pflanze
Nachteile:
geringe Verfrühung bei hohem Aufwand!
zusätzliche Kosten ca. 4 500 €/ha
Handpflanzung mit ca. 180 Arbeitsstunden pro ha (bei Leistung von 200 Pflanzen/h)
Fertigation erforderlich: wie ist die Wasserqualität? Wie kann die Einspeisung erfolgen?
c) Folienabdeckung:
Eine einfache Folienabdeckung erfolgt mit der PE-Folie, die mit 500 Loch/m² bestückt ist. Diese ermöglicht einen noch früheren Erntestart als die 750-Lochfolie. Dabei beträgt der Lochdurchmesser 10 mm und die Foliendicke 100 µm. Einige Kulturarbeiten wie Herbizidspritzung und Düngung (bei Flachfeld) sollten vor dem Zuziehen erfolgen. Die Fungizidspritzungen in die Blüte erfolgen dann nach dem Öffnen. Die Folie wird zwischen Mitte und Ende Februar aufgezogen. Die Seiten werden eingegraben oder mit Säcken beschwert. Je nach Witterungsverlauf im Frühjahr kann ein mehrmaliges Aufziehen und Zuziehen nötig werden, oft viermalig! Komplett geöffnet wird die Kultur im Stadium „maximal 10 % offene Blüten“.
Einfache Folienabdeckung
Vorteile:
Verfrühung 5-7 Tage
Kosten 500 €/ha Material + 500 €/ha Arbeit
mit Damm noch effektiver!
Vereinfachung durch Wickelgeräte möglich
leichte Verfrühung bei mehr Einsatz
Nachteile:
richtiges Management (Verbrennungen!)
häufiges Auf- und Zuziehen evtl. nötig
d) Doppelabdeckung mit Vlies und Folie:
Eine verschärfte und sehr effektive Variante ist die aus dem Gemüsebau bekannte Doppelabdeckung. Dabei wird zunächst ein Frostschutzvlies und darüber noch eine Lochfolie aufgezogen. Die Vliesauflage kann schon im Winter als Frostschutz oder zur einfachen Verfrühung erfolgen. Das Vlies sollte 17–22 g/m² schwer sein. Die Folie wie oben beschrieben. Die Folie wird zum Schieben der Blüten abgenommen, das Vlies verbleibt zunächst!
Doppelabdeckung
Vorteile:
stärkere Verfrühung 10-12 Tage
Kosten 2 000 €/ha (Vlies + Arbeit)
noch besser mit Dammanbau
Nachteile:
extremeres Klima (Verbrennungen!)
höhere Kosten
mehr Arbeitsaufwand
e) Minitunnel:
Ein älteres Verfahren, das zeitweise verschwunden war, aber durch verbesserte Taschenfolien erneut im Anbau zu finden ist, stellt der Minitunnel dar. Dabei werden zwei Einzelreihen oder eine Doppelreihe übertunnelt. Der Minitunnel besteht aus Federstahl oder verzinkten Bügeln, die alle 3 m in die Erde gesteckt werden. Material ist eine PE- oder EVA-Folie als Taschenfolie mit 70 Löchern/m². Nach der Verknotung am Reihenanfang wird die Folie über die Stäbe gezogen und am Ende erneut an einem Pfahl oder Anker verknotet.
Minitunnel
Vorteile:
starke Verfrühung 12-14 Tage
Ernte zw. Doppelabdeckung und Wandertunnel (Watu)
Kosten nur 1/10 vom WaTu (5 000-8 000 €/ha)
Auf- und Abbau schneller als Wandertunnel (ca. 150 h/ha)
Nachteile:
extremeres Klima (Verbrennungen!)
Kontroll- und Lüftarbeit 140 h/ha (viele Wege!)
erschwertes Überfahren mit Spritze
f) Wandertunnel:
Das derzeit am häufigsten diskutierte und gemessen an den starken Zuwachsraten beliebteste Verfrühungsverfahren ist der Wandertunnel. Es werden Breiten angeboten von 5,50–8,50 m bei Höhen von 2,30–3,90 m. Der Bogen als Gerüst besteht aus verzinkten Rohren mit 32 oder 40 mm Durchmesser bei einer Wandstärke von 1,4-2,2 mm. Diese Bögen werden im Abstand von 2 m auf Erdanker gesetzt. Diese sollten 60–80 cm tief mit 14–18 cm-Tellern in die Erde eingebohrt werden. Als Abdeckung dient PE-Folie der Stärke 180–200 µm (EVA oder UVB-Windows).
Nach anfänglichen Schäden durch Sturm und Schnee werden momentan die Tunnel mit Firstband, Firststange, Abankerungen und Querstreben verstärkt. An den Enden können Klapp-, Roll- oder Bogentüren verwendet werden. Dabei ist auf die vorhandene Gerätetechnik zu achten oder diese entsprechend den Tunnelmaßen anzupassen.
Die Kultur im Tunnel erfolgt auf Dämmen. Entweder drei Dämme mit Doppelreihen oder fünf Dämme mit Einzelreihe in einem 6 m-Tunnel. Gepflanzt werden Grün- oder Frigopflanzen von Frühsorten. Der Frostschutz und die Verfrühung erfolgen mit einer zusätzlichen Vliesauflage vor Schließen des Tunnels im Winter oder zeitigen Frühjahr. Die Tunnel werden dann mit der Folie Ende Januar bis maximal 20. Februar geschlossen.
Dieses Fenster ergibt sich zum einen aus den zu sammelnden Kältepunkten der Pflanzen und zum anderen aus der nötigen Tageslänge und Sonneneinstrahlung zur verfrühenden Erwärmung des Tunnels.
Der Tunnel bleibt bis Blühbeginn komplett geschlossen, dabei dürfen maximal 28 °C Innentemperatur erreicht werden, während der Blüte nur noch 22 °C! Die relative Luftfeuchte sollte 65 bis maximal 70 % betragen, da es sonst zu den gefürchteten Botrytis-Infektionen der Kultur kommen kann! Gelüftet wird dann über das Hochschieben der Seiten oder über die Tore (vornehmlich vormittags!), geschlossen wird abends bei Temperaturen kleiner als 8–10 °C.
Wandertunnel
Vorteile:
sehr starke Verfrühung 15-20 Tage (in 2013 sogar 24 Tage!)
Witterungsschutz (Blüte, Ernte)
hohe Erträge, Ernteverlängerung
Nachteile:
Kosten 20 000- 25 000 €/ha pro Jahr (+Damm)
Auf- und Abbau 500 Ah/ha
extremes Klima (heiß, feucht, Schädlinge!)
Kontroll- und Lüftarbeit 140 h/ha
passende Maschinen (Stroheinlegen, Spritze)?
Hummeln oder Bienen einsetzen
g) Feststehende Tunnel und Substratanbau:
Als Ergänzung und aufgrund starker Nachfrage sei kurz der Substratanbau mit feststehendem Tunnel erwähnt.
Die Frühzeitigkeit eines Substratdammes am Boden mit schwarzer Mypex-Abdeckung liegt annähernd bei der eines Wandertunnels mit Erddamm. Förderlich für die Verfrühung im Substratanbau sind schwarze Bodenbedeckungen, das Abdecken mit Vlies und niedrige Stellagen.
3) Zusammenfassung:
Erfahrungswerte Verfrühung in Tagen:
Normalkultur z.B. Erntebeginn 1. Juni
Flächenwahl - 7 Tage = Ende Mai
Sortenwahl - 8 Tage = ca. ¾ Mai
Dammanbau - 2 Tage = Mai/Juni
Einfachfolie - 5 Tage = Ende Mai
Doppelabdeckung - 10 Tage = ¾ Mai
Minitunnel - 15 Tage = Mitte Mai
Wandertunnel - 20-25 Tage = 1./5. Mai
zum Vergleich:
(GWH+Heizung - 35 Tage = Mitte April)
4) Ausblick
Die Erfahrung zeigt, dass nicht in jedem Jahr der Aufwand für die Verfrühung wirtschaftlich erfolgreich ist. Besonders in „frühen“ Jahren mit schnellem Saisonbeginn ist ein einfaches kostengünstiges Verfahren dem arbeitsintensiven teuren Verfahren überlegen. Dennoch werden gerade die kostspieligen Wandertunnel weiter ausgebaut. Neben der Verfrühung gibt es nämlich weitere Gründe für diese Investitionen, die mit einfachen Verfrühungsverfahren nicht erzielt werden können:
- die Saisonverlängerung in den Herbst
- grundsätzlicher Frost- und Witterungsschutz
- bessere Auslastung der Arbeitskräfte durch wetterunabhängige Ernte
- verbesserte Fruchtqualitäten und höher Erträge
Aufgrund steigender Flächenknappheit wird zunehmend in intensivere Systeme investiert.
Wie intensiv und wie schnell der Einstieg in ein teures Verfrühungssystem vollzogen wird, sollte gut bedacht und geplant werden. Oft ergibt sich der wirtschaftliche Nutzen erst nach einer Phase des Lernens und Wachsens in einem intensiveren System. Dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg!