Qualitätserhaltung und Lagerung von Beerenobst

Dr. Dirk Köpcke stellt ein "Thermometer", ein Handmessgerät für Früchte/Fruchtstiele vor. So kann ganz schnell die Fruchttemperatur nach der Pflückung, nach der eventuellen Schnellabkühlung und der Kühlung ermittelt werden.Foto: Schulze Scholle
von Elke Schulze Scholle
Die Fruchtstabilität der Beeren beim Kunden ist für alle Vermarkter im Hinblick auf Fruchtfäule und den Befall durch die Kirschessigfliege ein wichtiges Thema und war somit Programmpunkt beim diesjährigen Beerenobstseminar. Die Veranstaltung fand am 29. Januar in Münster-Wolbeck statt. Norbert Belker, Technikberater Landwirtschaftskammer NRW, referierte zu den „Technischen Voraussetzungen im Beerenobstbetrieb“ mit Fokus auf Kühlanlagen und Dr. Dirk Köpcke, Obstbauversuchsanstalt Jork, stellte „Aktuelle Versuchsergebnisse und Beratungsempfehlungen zur Kühlung von Beerenobstfrüchten“ vor.
Vorausgegangen waren die Pflanzenschutzinformationen von Dr. Adrian Engel, Pflanzenschutzdienst LWK NRW, über die Auswirkungen der Kühlung bezogen auf die Bekämpfung der Kirschessigfliege. Temperaturen um 1 °C haben die stärksten Effekte, Eier sind empfindlicher als Larven, jedoch werden beide Stadien nicht abgetötet, sondern in ihrer Entwicklung und Fraßtätigkeit verzögert oder gehemmt. Nach der Auslagerung und Haltung bei 20 °C entwickeln sich die Larven weiter. Was heißt das für die Praxis? Häufige Erntedurchgänge und frühzeitige Ernte (schlechte Pflückleistung), Erntegut direkt kühlen und umgehend verkaufen, Einhaltung der Kühlkette. Dr. Adrian Engel sagte: „Vier Larven pro Frucht sind noch in Ordnung!“. Erschreckend, aber nicht abwendbar, da der Schädling eine enorme Population entwickelt und ein breites Wirtsspektrum besitzt, erhebliche Schäden verursacht und nicht durchschlagend zu bekämpfen ist. Durch die Frostmethode lässt sich für den Anbauer schnell eine Befallskontrolle durchführen. Werden Früchte bei -18 °C tiefgefroren, verlassen die Larven das Obst und können gezählt werden. Mit geübtem Auge und mit Hilfe einer Lupe lassen sich die weißen Larven an den Früchten erkennen. Während der Seminarpausen war es den Besuchern möglich, unterm Mikroskop die Kirschessigfliege, männlich und weiblich, zu betrachten.
Planung einer Kühlanlage
Wie lange und wie viele Kulturen sollen gelagert werden? Welches Lagersystem ist geeignet? Kann ein Gebäude oder ein Raum für Kühlung und Lagerung verwendet werden? Wäre vielleicht der Zusatz einer Schnellabkühlung bei vorhandener Kühlung sinnvoll?
Wie sind die technischen Voraussetzungen im Betrieb, können bestehende Gebäude übernommen werden? Ist die Lage der Kühleinrichtung (Transport- und Arbeitskosten, Kühlkette) sinnvoll? Welche Anschaffung passt zur Betriebsgröße? Stimmt die Neigung und Bodenbeschaffenheit der vorgesehenen Fläche, ist eine Be- und Entwässerung möglich? Norbert Belker wies darauf hin, wie wichtig die Beachtung der Luftfeuchte in Bezug auf die Kondensatbildung und die Luftbewegung im Hinblick auf die Austrocknung der Kelchblätter ist. Die obersten Erdbeersteigen in Kühlräumen sollten mit leeren Kisten abgedeckt und eine Stretchfolie verwendet werden. Zur kurzzeitigen Trocknung der Schälchen, bei einer Pflückung im Regen, wäre die Durchstromkühlung (wenn möglich) sinnvoll, da so die warme Außenluft schneller die Feuchtigkeit aufnehmen kann. Es handelt sich hier um eine große Investition, kleinere Anlagen liegen schon bei 20 000 €. Wie sieht es mit der Störanfälligkeit und dem Versicherungsschutz aus?
Für diese spezielle Planung der Kühlanlagen und zur Kontrolle der eingeholten Kostenvoranschläge erstellte Norbert Belker eine „Leistungsbeschreibung zur Angebotseinholung“ für Kühlanlagen. Sie beinhaltet 18 Punkte, von der Isolierung bis zur Warnanlage und Garantiezeit, die von den Kältetechnikfirmen bearbeitet, unterschrieben und zusammen mit dem entsprechenden Angebot eingereicht werden sollte. Diese Leistungsbeschreibung, erhältlich bei der LWK NRW, dient als Hilfestellung bei der sehr komplexen und häufig auch individuellen Planung einer Kühleinrichtung.
Aktuelle Versuchsergebnisse und Beratungsempfehlungen
Dr. Dirk Köpcke, LWK Niedersachsen, Abteilung Fruchtqualität und Obstlagerung, stellte Versuche im Hinblick auf die Kühlung bei Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren und Roten Johannisbeeren vor. Verglichen wurde die Gärstoff- sowie die Fäulnisentwicklung in einer normalen Kühlung, in einem CA- und einem DCA-Lagersystem.
Himbeeren und Brombeeren, die empfindlichsten Beeren
Die Himbeere enthält fruchteigene Gärstoffe, die ihren Geschmack mitbestimmen. Diese können durch eine schlechte Lagerung (bei zu niedrigem Sauerstoffgehalt) deutlich ansteigen und den Geschmack negativ verändern. Dr. Dirk Köpcke empfiehlt, so kalt wie möglich zu lagern, „so kalt, wie die Technik es machen kann und die Früchte es vertragen!“. Das heißt, bei Himbeeren und Brombeeren bis -0,5 °C. Die Botrytisbildung könnte so zu 100 % in Griff zu bekommen sein, Pilzsporen hören unter 0 °C fast auf zu wachsen. Sollte länger als ein bis zwei Tage - zur Überbrückung kurzfristiger Angebotsüberhänge - gelagert werden, wäre die Aufbewahrung mit CA-System empfehlenswert, keine Fäulnis, weniger Atmung, weniger Gärstoffe. Hier ist eine Einstellung von weniger als 5 % Sauerstoff und 18–20 % Kohlendioxid empfehlenswert. Bei der Brombeere, die von sich aus keine Gärstoffe enthält, verhält es sich ähnlich.
Heidelbeeren
Heidelbeeren haben eine sehr gute Lagereignung, da sie keine Kelchblätter und keinen Stiel besitzen, der Geschmack bleibt bei sachgerechter Lagerung unverändert gut. Trotzdem müssen auch die Früchte der Heidelbeere vor Entfeuchtung geschützt werden. Optimal ist eine Temperatur von -0,5 °C. Bei längerer Lagerzeit, von mehr als ein paar Wochen ist das CA-System (1 % Sauerstoff und 1 % Kohlendioxid) vorzuziehen, die Früchte bleiben fester und zeigen weniger Fäulnis. Die Spätsorten wie `Liberty´ und `Legacy´ sind für die Langzeitlagerung geeignet, die weiche `Bluecrop´ sollte, optimal geerntet, nur zwei bis drei Wochen ins Lager. Bisher sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft, die Hochpreisphase von Oktober bis Dezember ist noch nicht voll erschlossen.
Erdbeeren
Die Kühlung der Erdbeeren bei 0-2 °C sollte maximal eine Woche dauern, eine Lagerung ist nicht verbreitet, jedoch gehört die Schnellabkühlung, die Abkühlung durch kalte Luft, zur Standardausstattung in den Betrieben. Die Kelchblätter sind empfindlich und bedürfen einem Schutz vor Entfeuchtung. Eine CA-Lagerung wäre zur Fäulnis-Unterdrückung wichtig, zum Beispiel bei mehrtägigem Transport. Das funktioniert aber nicht, da die Erdbeere keine hohen CO2–Werte verträgt, maximal 10 %, ansonsten Ethylacetatproduktion, Gärung. Diese 10 % reichen nicht zur effektiven Fäulnisunterdrückung.
Rote Johannisbeeren
Die Rote Johannisbeere, meist `Rovada´, aber auch `Tatran´ und `Red Poll´, kann „viel ab“, hat über mehrere Monate eine sehr gute Lagereignung. Der Referent rät zu einer Temperatur von -0,5 °C, mindestens 5 % Sauerstoff und 20-25 % Kohlendioxid. Der Preis dieser Frucht erholt sich häufig nicht, da schon viel eingelagert wurde und wird.
Für alle Beeren gilt: „Die Kühlung ist kein Krankenhaus! Es handelt sich um eine Reduzierung des Qualitätsverfalls!“. Voraussetzung ist dafür ein optimaler Erntezeitpunkt „knapp reif“, Erntedisziplin und eine gute betriebliche Logistik. Auch haben Dünge- und Pflanzenschutzbehandlungen, die Witterung und die Sorgfalt beim Pflücken oder Verletzungen an den Früchten, Auswirkungen auf die Qualitätserhaltung. Die Zeitdauer, in der die Früchte trockener Luft ausgesetzt sind, sollten so kurz wie möglich gehalten werden. Der Wassergehaltverlust (z.B. von Kirschstielen) am Feld beträgt je nach Witterung pro Stunde 5 %, danach in geschlossenen Räumen nur noch 0,25 %. Das bedeutet Qualitätsverlust. Frische bezieht sich auf Frucht, Stiel oder Kelchblätter.
Möglichkeiten der Beerenobstlagerung
Die Haltbarkeit von Beerenfrüchten ist auch bei optimaler Lagerung nur begrenzt möglich. Dr. Dirk Köpcke stellte einige Möglichkeiten mit spezieller Technik vor. Darunter die CA-Lagerung in kleinen Räumen, in gasdichten Folienzelten und die Lagerung im Verbundsystem in Großbeuteln. Bei diesem Palettenlagerungssystem lassen sich die Gasbedingungen pro Einheit einstellen und bleiben konstant. Die Paletten können an- und abgekuppelt werden, ohne Sauerstoff- und Kohlendioxidveränderungen. In CA und ULO-Räumen, die normalerweise für die Kernobstlagerung genutzt werden, kommen CO2 oder Trockeneiseinsatz, die, wenn der Lagerraum befüllt ist, hereingefahren werden und dort vergasen und so das nötige CO2 liefern. Des Weiteren kommen Großkisten aus Kunststoff mit einem dicht schließenden Deckel und eingearbeiteter Membran zum Einsatz. Die Regulierung der Kohlendioxid- und Sauerstoffkonzentration erfolgt pro Box (System Mat Tiempo), so dass auf unterschiedliche Fruchtarten eingegangen werden kann.
Schnellabkühlung
Die Notwendigkeit zur schnellen Absenkung der Kerntemperatur nimmt in Hinblick auf den Befall durch die Kirschessigfliege zu, sie ist sogar ein Muss, wenn der Verkauf nicht unmittelbar stattfindet.
Die Schnellabkühlung geht bei den Kirschen in möglichst kurzer Zeit vonstatten, maximal bis zehn Minuten, mit Hilfe von Eiswasser. Eine Eiswasserkühlung ist beim Beerenobst nicht möglich. Bei den Erdbeeren streift zur Abkühlung kalte Druckluft an den Früchten vorbei, so dass nach 60 bis 90 Minuten auch die letzten Wärmenester in den Schalen beseitigt werden und die Früchte abgekühlt sind. Kommen die Erdbeeren aus der Schnellabkühlung heraus und werden direkt ausgeliefert, sehen die Früchte unansehnlich und matt aus. Kondenswasser hat sich gebildet. Mit einem zweiten Kühlraum, eingestellt auf eine Übergangstemperatur, könnte diesem Problem vorgebeugt werden, wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Werden die Beeren nur auf Taupunkttemperatur abgekühlt, also ohne Schnellabkühlung, so ist die Haltbarkeit im Vergleich zur Schnellabkühlung reduziert. Bei einer Verwendung für den nächsten Tag ist dieses in Ordnung, jedoch im Hinblick auf den Befall durch die Kirschessigfliege nicht.
Fruchttemperatur wichtig
Kühlhausluft besitzt in der Regel eine hohe Luftfeuchtigkeit, meist eine relative Luftfeuchte von mehr als 90 %. Pfützen befinden sich zudem häufig auf dem Boden, die Luftfeuchte sollte gemessen und überprüft werden. Die Intensität der Kondenswasserbildung hängt von der Fruchttemperatur und von der Luftfeuchte und damit dem Taupunkt der Außenluft ab. Um die Fruchttemperatur zu messen, stellte Dr. Dirk Köpcke ein Thermometer, ein Handmessgerät, vor. Der Preis liegt etwa zwischen 30 und 40 €. Schnell lässt sich so die Temperatur der Frucht am Feld, nach der Schnellabkühlung und in der Kühlung überprüfen. Wenn die Fruchttemperatur unter der Taupunkttemperatur der Außenluft liegt, kommt es zu Kondenswasserbildung.
Werden die Erdbeerschalen mit Deckel ausgeliefert, so ist erst ein Verschluss im Kühlraum sinnvoll, wenn die Ware ihre Kühltemperatur erreicht hat und bevor sie in wärmere Temperaturen ausgelagert wird. So schlägt sich das Kondenswasser an der Außenhaut der Verpackung nieder und nicht an den Früchten. Dr. Dirk Köpcke schloß seinen Vortrag mit der Betonung der Wichtigkeit, die Kühl- und Feuchtekette bis zum Kunden aufrechtzuerhalten.