Tagneutrale Sorte `Verity´
Weniger Kältestunden positiv

`Verity´ hat einen sehr geringen Anspruch an die Anzahl von Kältestunden. Nur wenn dies berücksichtigt wird, liefert die Sorte frühzeitig Ertrag und kann ihr volles Leistungspotential unter Beweis stellen. Ein Übermaß an Kältestunden reduziert die Leistungsfähigkeit der Sorte erheblich
Auf der Versuchsstation PCfruit in Belgien hat die tagneutrale Erdbeersorte `Verity´ von Vinson (Großbritannien) in den zurückliegenden sechs Jahren hervorragende Leistungen unter Beweis gestellt. Aufgrund ihrer exzellenten Präsentation, ihres herausragenden Shelf Lifes, der Toleranz gegenüber einer Reihe von Schaderregern und Wurzelkrankheiten sowie ebenso wegen ihres konstanten Aromas und der guten Fruchtgröße wird die Sorte hoch geschätzt. Im Gegensatz zu diesem positiven Attributen ist die typische Ernteperiode von `Verity´ im Vergleich zu anderen bekannten tagneutralen Sorten aber recht spät.
Der Schwerpunkt der `Verity´-Ernte fällt in die Monate August und September. Mit dieser im Vergleich späten Ernteperiode ist das Ertragspotential der Sorte in Anbauregionen wie Zentraleuropa mit einer kurzen Vegetationsperiode recht begrenzt. Erträge von `Verity´ mit einer Standard Frigo-Pflanzung im Boden im März/April bringen im Schnitt einen Ertrag von 700 bis 1 100 g/Pflanze. Für die meisten tagneutralen Pflanzungen im Boden werden Frigo-Pflanzen gewählt. Sie sind praktisch, können gelagert werden, bis die Anbaubedingungen geeignet erscheinen, sie sind preisgünstig und ihre Verwendung ist Standard der Praxis in Gesamtzentraleuropa. Frigo-Pflanzen sammeln eine große Menge von Kältestunden auf dem Feld im Herbst und während der Lagerung bei – 1,5 °C.
Typischerweise sammeln tagneutrale Frigo-Pflanzen bis zu 3 000 Kältestunden (˂ 7 °C) vor bzw. nach dem Pflanzen. Erfolgreich anzubauende Sorten wie zum Beispiel `Portola´ sind in der Lage, diesen exzessiven Bedarf an Kältestunden zu kompensieren und dabei eine adäquate Menge qualitativ hochwertiger Früchte frühzeitig zu produzieren. Sie gehen bei vielen Kältestunden zu vegetativem Wachstum über und bilden eine Anzahl von Ausläufern, die später manuell entfernt werden müssen und so ein Faktor zur Erhöhung der Arbeitskosten sind. Dies hindert die Pflanzen an der für einen adäquaten Ertrag erforderlichen Blütenanlage während der Saison.
Weniger Kältestunden – höherer Ertrag
Versuche zur Optimierung dieser Eigenschaft bei der Sorte `Verity´ an der Versuchsstation PCfruit, Belgien, haben den Vorzug einer Reduzierung der Kältestunden während der Winterperiode mit dem Ziel, die Ernteperiode nach vorne zu verlagern, demonstriert. Versuche mit der Sorte `Portula´ hatten gezeigt, wie wichtig es ist, auch schon frühzeitig gute Erntemengen zu erzielen. Bei `Verity´ zeigten die Versuche, dass eine Reduzierung der Kältestunden zu einem signifikant höheren Ertrag pro Pflanze führt.
In einem jüngsten Versuch in 2016 wurden Stecklinge von `Verity´ am 19. August 2015 geschnitten und in 250 cm³ Tray-Zellen auf dem Tray-Feld gepflanzt. Die herangezogenen Tray-Pflanzen wurden nach fünf unterschiedlichen Behandlungsmustern kultiviert: 0, 250, 500, 1 000 Kältestunden. Im Vorfeld konnten die Pflanzen die natürlichen Kältestunden auf dem Tray-Feld mitnehmen, später wurden sie – abhängig vom gewünschten Kältebedarf – in ein geheiztes Gewächshaus mit einer Minimumtemperatur von 7 °C gestellt, wo sie bis zwei Wochen vor der Auspflanzung (19. April 2016) verblieben.
Zusätzlich wurden zwei Gruppen von Referenzpflanzen im Versuch unter folgenden Bedingungen kultiviert: Eine Gruppe mit im Kühlhaus gelagerten Tray-Pflanzen (250 cm³) - identisch zu den Versuchsgruppen mit reduzierten Kältestunden - sowie eine weitere Gruppe mit klassisch nackt bewurzelten Frigo-Pflanzen der Sorte `Verity´, die bei – 1,5 °C gelagert wurden. Die Tray-Pflanzen wurden am 1. Dezember ins Kühllager gebracht und dort bei – 1,5 °C aufbewahrt. Sie erhielt insgesamt 3 360 Kältestunden unterhalb 7 °C. Die Ergebnisse von gekühlten `Portola´-Frigo-Pflanzen, die unter gleichen Bedingungen gelagert und ausgepflanzt wurden, sind zum Vergleich in der Tabelle aufgeführt.
Die Pflanzen wurden nach klassischem Verfahren in ein Beet gepflanzt. Nach der Pflanzung erhielten sie zusätzlich 475 Kältestunden. Über die gesamte Saison wurden Ertrag, Fruchtgrößte, Ernteverlauf, die Zahl der Blütenstände und –ausläufer gezählt.
Ergebnisse:
Pflanzen der Sorten `Verity´, die eine hohe Zahl an Kältestunden erhielten, zeigten im Versuch – ähnlich wie die Tray-Pflanzen mit 1 000 Kältestunden und wie die Frigo-Tray-Pflanzen bzw. klassischen Frigo-Pflanzen - einen Ernteverlauf, wie man ihn typischerweise von `Verity´ erwartet. Diese drei Versuchsglieder mit einer hohen Zahl an Kältestunden lieferten während Juni und Juli weniger als die Hälfte der Erntemenge im Vergleich zu Pflanzen der Sorte `Portola´. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der späteren Reife von `Verity´. Auf der anderen Seite lieferten die Pflanzen der anderen Versuchsglieder mit einer deutlich geringeren Zahl an Kältestunden (0, 250, 500 Kältestunden) im Juni und Juli eine ähnlich hohe Ernte wie Frigo-Pflanzen der Sorten `Portola´. Daraus lässt sich schließen, dass eine Reduzierung der Kältestunden eine Schlüsselrolle in der generativen Entwicklung tagneutraler Sorten für das kommende Jahr spielen. Darüber hinaus zeigt der Versuch, dass der späte Ernteverlauf tagneutraler Pflanzen Folge der Kälteeinwirkung ist.
Tab.1: Monatliche Erntemengen und Gesamternte (kg/Pflanze)
Sorte | `Veriti´ | `Verity´ | `Verity´ | `Verity´ | `Verity´ | `Verity´ | `Verity´
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Pflanztyp | Tray-Pflanze | Tray-Pflanze | Tray-Pflanze | Tray-Pflanze | Tray-Pflanze | Frigo-Pflanze | Frigo-Pflanze |
Kältestunden * | 0 | 250 | 500 | 1 000 | 3 360 | 3 360 | 3 360 |
+ 475 Kältestunden nach der Pflanzung | |||||||
Ertrag |
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Juni und Juli | 0,317 | 0,300 | 0,340 | 0,200 | 0,143 | 0,170 | 0,404 |
August | 0,973 | 0,770 | 0,757 | 0,694 | 0,604 | 0,492 | 0,633 |
September | 0,549 | 0,475 | 0,394 | 0,342 | 0,465 | 0,152 | 0,363 |
Gesamternte kg/Pflanze | 1,839 | 1,545 | 1,491 | 1,236 | 1,212 | 0,814 | 1,400 |
* Kältestunden unter 7 °C vor Auspflanzung auf dem Feld
Letztendlich führte eine Reduktion der Kältestunden bei `Verity´ nicht nur zu einer Verfrühung der Ernte, sondern auch zu einer beträchtlichen Steigerung der Erntemenge pro Pflanze. Tray-Pflanzen, die 1 000 Kältestunden erhielten sowie Tray- und Frigo-Pflanzen mit 3 360 Kältestunden lieferten deutlich geringere Erträge im Vergleich zu `Verity´-Pflanzen, die weniger Kältestunden erhielten. So lieferten klassische Frigo-Pflanzen von `Verity´ mit 3 360 Kältestunden nur 814 g/Pflanze, im Vergleich zu `Portola´ einen 48 % geringeren Ertrag. Auf der anderen Seite lieferten Tray-Pflanzen mit 500, 250 oder 0 Kältestunden einen um 7 %, 10 % bzw. 31 % höheren Ertrag im Vergleich zu `Portola´-Frigo-Pflanzen. Am besten schnitt die Gruppe der Pflanzen mit 0 Kältestunden ab, hier lieferte jede `Verity´-Pflanze 1,84 kg Erdbeeren, was einem Ertrag von 55 t/ha bei 30 000 Pflanzen/ha entspricht.
Kein Einfluss auf Fruchtgröße
Der relative Anteil an Klasse-1-Früchten im Vergleich zu den Früchten der Klasse 2 blieb unabhängig von den Kältestunden gleich. Im Gegensatz zu Juni-Trägern hat eine Verringerung der Kältestunden bei tagneutralen Pflanzen keinen negativen Einfluss auf die eventuelle Fruchtgröße. Die durchschnittliche Anzahl an Blütenständen pro Pflanze konnte bei einer Verringerung der Anzahl an Kältestunden gesteigert werden: 26 Blütenanlagen/Pflanze ohne Kältestunden im Vergleich zu 22 Blütenanlagen/Pflanze mit 1 000 Kältestunden (siehe Grafik). Daher ist der Anstieg am Gesamtertrag eine Folge einer höheren Anzahl an Blütenständen und nicht auf eine Erhöhung der durchschnittlichen Fruchtgröße oder Anzahl der Früchte pro Blütenstand zurückzuführen. Der Anstieg an Blütenständen erklärt die Konstanz der Fruchtgröße in den Pflanzen mit einer reduzierten Anzahl an Kältestunden.
Pflanzen mit einer höheren Anzahl an Kältestunden vor der Aufpflanzung in den Boden, hatten mehr Wurzeln gebildet und wiesen eine stärkere vegetative Entwicklung im Vergleich zu Pflanzen mit einer niedrigen Anzahl an Kältestunden auf. Einige Wochen nach der Auspflanzung waren die Pflanzen mit der geringeren Anzahl an Kältestunden stärker vegetativ entwickelt im Vergleich zu Pflanzen mit einer höheren Anzahl an Kältestunden. Dieses Ergebnis war unerwartet, denn bei Juni-Trägern verbindet man eine stärkere vegetative Entwicklung und Wachstum mit einem Anstieg der Kältestunden. Wir nehmen am, dass Pflanzen mit einer höheren Anzahl an Kältestunden ihre Energie in das Wachstum von Stolonen gesteckt haben, während Pflanzen mit einer geringeren Anzahl an Kältestunden ihre Energie in die generative Entwicklung und den Aufbau von Kronen gesteckt haben, was letztendlich zu höheren Erträgen und größeren Pflanzen führt. Dies muss in weiteren Versuchen bestätigt werden.
Weitere Versuche erforderlich
Die ersten Versuche aus 2016 mit der Sorte `Verity´ sind sehr ermutigend und zeichnen eine positive Zukunft für andere tagneutrale Sorten, die vielleicht eine Reihe positiver Attribute mitbringen, aber erst spät in Ertrag kommen bzw. nicht produktiv genug sind. Zukünftige Versuche sollten darauf abzielen, eine Verbesserung der Lebensfähigkeit bei der Überwinterung von Tray-Pflanzen in einem Glashaus zu erreichen und auf der anderen Seite unserer Verständnis für die erforderlichen Bedingungen zur Beeinflussung der generativen Aktivität tagneutraler Pflanzen verbessern.
Nicole Gallace, PCfruit, Belgien
Dieser Versuch wurde gesponsert durch Van Alphen Aardbeiplanten, Fragaria Holland