23.01.2025

Kommentar: "Die Zukunft ist meist eine Frage des Blickwinkels"

Thomas Kühlwetter
Foto: RLV

Wenn diese Ausgabe Ihre Höfe erreicht, hat Donald Trump wahrscheinlich seine zweite Präsidentschaft in den USA angetreten und mit seinen ersten Äußerungen die Länder Europas und viele weitere Staaten schon einmal auf das eingestimmt, was sie in den kommenden vier Jahren noch erwarten könnten. Sicher ist dabei nur eins: niemand dürfte vor Überraschungen gefeilt sein und die Spannbreite des Denkbaren ist groß.

Man muss nicht unbedingt so weit in die Ferne schauen, denn auch schon beim Blick auf die Regierungen in den verschiedenen Ländern Europas zeigt sich ein sehr gespaltenes Bild. In Deutschland stehen in einigen Wochen nach dem Bruch der Ampelkoalition Neuwahlen an und man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die nächste Regierungsbildung im bevölkerungsreichsten Land Europas nicht ganz einfach werden könnte. Unabhängig davon, dass man bei manchen im Wahlkampf gefallenen Äußerung des ein oder anderen Politikers bzw. der ein oder anderen Politikerin tief schlucken und sich vielleicht auch fragen muss, ob wir tatsächlich in Deutschland sind, werden für eine Regierungsbildung mindestens zwei, eventuell aber auch drei Parteien erforderlich sein.

Wie bei den in einigen Bereichen weit voneinander abweichenden Positionen einheitliche Ziele formuliert und umgesetzt werden sollen, scheint bei einer künftig möglicherweise aus zwei Parteien bestehenden Regierungskoalition schon schwer vorstellbar, sollte eine Koalition aus drei Parteien bestehen, scheint es schon fast unmöglich. Die aktuelle Legislaturperiode hat dies leider sehr deutlich unter Beweis gestellt.

Blickt man von außen auf das Geschehen und stellt dem gegenüber, was dringend passieren müsste und was in unserem Land und vielleicht auch einigen Nachbarländer
gegenwärtig suboptimal läuft, werden immer wieder die gleichen Themenfelder genannt: Energie, Wirtschaft, Einwanderung, Klimawandel oder Bürokratie sind einige der Schlagworte, die im Wahlkampf und in Debatten immer wieder genannt. Bei den Vorschlägen zur Lösung der Probleme gehen die Meinungen weit auseinander. Dabei kann man manchmal den Eindruck gewinnen, dass an die Stelle sachlicher Orientierung ideologische Ziele zur Bedienung des eigenen Wählerklientels stark im Vordergrund stehen und eine gesamtheitliche Betrachtung kaum noch eine Rolle spielt.

Während öffentliche Verwaltungen stetig weiter aufgebläht werden und statt des Abbaus von Bürokratie eher neue Vorgaben und Auflagen erstellt werden, leiden die Industrie und das produzierende Gewerbe. In diesen Bereichen werden Arbeitsplätze abgebaut oder Produktionsstätten geschlossen und in Länder verschoben, in denen die Rahmenbedingungen günstiger sind. Damit einhergehend verliert Deutschland an Wirtschaftskraft, eine Umkehr des Trends ist nicht in Sicht.

Im vergangenen Winter sind die Landwirte auf die Straßen gegangen, am Ende erreicht haben sie mit ihren Protesten außer dem Erhalt der Steuerbefreiung auf landwirtschaftliche Fahrzeuge nicht viel. Nach einem kurzen Zwischenhoch sind ihre Einkommen im vergangenen Jahr um fast 29 % im Schnitt gesunken. Das Mercosur-Abkommen ist unterzeichnet. Kanzler Scholz fordert günstige Lebensmittelpreise für die Verbraucher und – wie einige andere Parteien auch – eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 €. Während Importen Tür und Tor geöffnet wird sollen die Lohnkosten weiter steigen. Eine Antwort darauf, wie unser Sektor dabei weiter erfolgreich bestehen und die Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen soll, bleibt aus.

Also sind die Betriebe selbst gefordert, eine Antwort darauf zu finden und die richtigen Weichen für die eigene Zukunft zu stellen. Dabei ist eine ganze Bandbreite an Faktoren zu berücksichtigen, begonnen bei der Familie über die Entwicklungen in Produktion und Markt, die Verfügbarkeit und die Kosten des Personals, die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln, die Folgen des Klimawandels oder die Kosten der Energie und anderer Betriebsmittel. Am Ende ist die Gestaltung der Zukunft immer eine Frage des eigenen Blickwinkels und besser ist das Glas halbvoll statt halbleer.

Thomas Kühwetter