Fruchthof Hensen: mehr geschützter Anbau, weniger Freilandfläche
Nachhaltigkeit und Transformation sind vielfach verwendete und manchmal auch überstrapazierte Begriffe der Gegenwart – inhaltlich weit dehnbar werden sie immer wieder eingefordert. Doch wie setzt man diese Aspekte in unserer Branche um, ohne andere wichtige Ziele wie die Wirtschaftlichkeit oder die Praxistauglichkeit aus den Augen zu verlieren. Ralf und Irmgard Hensen vom Fruchthof Hensen in Swisttal haben schon vor vielen Jahren die Grundsteine dafür gelegt und passen die Struktur ihres Unternehmens stetig den neuen Herausforderungen an.
Mit Pflanzung der ersten Erdbeeren im Jahr 1977 hatten Ralfs Eltern, Rudolf und Gertrud Hensen, in ihrem bis zu diesem Zeitpunkt auf den Anbau von Kern- und Steinobst konzentrierten Obstbaubetrieb die Basis für den Einstieg in den Beerenanbau gelegt. 1992 absolvierte Ralf Hensen die Meisterprüfung und stieg in den Familienbetrieb ein. Um längere Anbauphasen zu schaffen, wurde 1994 das erste Gewächshaus zur Kultur von Erdbeeren errichtet, bevor der Betrieb dann 1996 komplett auf den Erdbeeranbau umgestellt wurde. In weiteren Schritten erfolgte die Ausdehnung der Gewächsfläche 2007, 2011 und 2015 auf 7 ha, parallel wurde der Freilandanbau bis auf über 150 ha Fläche ausgeweitet. Erstmals wurde dieser 2018 verringert, bis heute um ca. 100 ha Anbaufläche.
Stellagen kompensieren Freilandanbau
Wie konnte dies ohne Reduktion der Erntemengen erreicht werden, denn der Betrieb, der einen großen Teil seiner Früchte über SanLucar und die weiteren Mengen direkt an den Handel oder an Endkunden vermarktet, wollte auf keinen Fall das bestehende Kundenpotenzial gefährden. 2016 wurde auf einer ca. 5 000 m² großen Fläche ein Probefeld mit überdachten Stellagen angelegt und zahlreiche remontierende Sorten auf ihre Anbau-, Ertrags- und Fruchteigenschaften getestet. „Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon auf ca. 40 ha remontierende Sorten im Freilandanbau. Die erforderlichen hohen Erträge kann man aber nur auf Flächen erzielen, auf denen zuvor noch keine Erdbeeren angebaut wurden, doch diese waren immer schwieriger zu finden. Uns war schon vor Jahren klar, dass wir aufgrund von Bodenknappheit, witterungsbedingten Handicaps und nicht zuletzt einer unaufhaltsam voranschreitenden Lohnspirale in den Stellagenanbau wechseln müssen“, betont Ralf Hensen.
Aktuell wachsen Erdbeeren auf dem Fruchthof Hensen u. a. auf über 20 ha Stellagen, geschützt durch Minitunnel oder Regenkappen, und für dieses Jahr ist eine weitere Ausdehnung der Stellagenkultur, entweder unter Tunneln oder dem Mini-Air-System von Meteor geplant. „Wir wollen jetzt keine Anlage mehr bauen, von der wir die Folie im Winter abnehmen müssen“, berichtet Ralf Hensen. „Und zur Versorgung unserer Kunden von Mitte Mai bis Ende Juni und zur Beschäftigung der Mitarbeiter leistet der Freilandanbau im Betrieb natürlich nach wie vor einen wichtigen Beitrag.“
Knackpunkt „Personal“
Zu Beginn der Corona-Pandemie ist Irmgard und Ralf Hensen zum ersten Mal richtig bewusst geworden, was es bedeutet, Probleme mit dem Personal zu haben. Obwohl nur sechs von damals 350 beschäftigten Mitarbeitern an Corona erkrankt waren, schloss das zuständige Gesundheitsamt den Betrieb. „Zu diesem Zeitpunkt wurde uns klar, dass wir so nicht weiter arbeiten wollten.“
Die Erntemenge des Betriebs hat sich nach der deutlichen Reduktion des Freilandanbaus nicht verringert. „Man darf bei allen Überlegungen nicht vergessen, welchen Einflüssen die Früchte im Freiland ausgesetzt sind und welches Ausmaß Schäden durch Sonnenbrand, Regen oder Hagel erlangen können. Die Mitarbeiter müssen die geschädigten Früchte ernten und später wegwerfen – das ist einfach zu teuer geworden“, erklärt Ralf Hensen.
„Unser Ziel lautet, mit weniger Mitarbeitern die gleiche Menge zu ernten. Darüber hinaus ist es im geschützten Anbau auch möglich, höhere Preise zu erzielen“, so der Betriebsleiter. „Wir stellen fest, dass die Erträge dort oft bei der dreifachen Menge im Vergleich zum Freilandanbau im Boden liegen, die Umsätze manchmal noch deutlich darüber.“
Aufwand im geschützten Anbau nicht unterschätzen
Dennoch warnt er vor Euphorie und die Produktionskosten sollten immer im Vordergrund stehen. „Man darf den Aufwand im geschützten Anbau nicht unterschätzen, selbst nach dem Abschluss der Ernte, denn dann muss die Folie entfernt, die Pflanzcontainer müssen rausgeholt und die Pflanzen geschreddert werden. Zudem ist der geschützte Anbau ein teures Produktionsverfahren, nicht nur aufgrund der hohen Investitionskosten, selbst wenn im direkten Vergleich die reinen Erntekosten/kg Erdbeeren im Freiland deutlich höher sind.“ Im vergangenen Jahr hat der Betrieb noch auf über 8 ha Fläche eine Stellagenanlage mit Minikappen gebaut, das war eine Investition von ca. 2 Mio. €. Wenn man sich für den geschützten Anbau entscheidet und nicht über das erforderliche Kapital verfügt, kann das gegenwärtige Zinsniveau und der Schuldendienst dann schon zu einem Problem werden.
Im geschützten Anbau ist die Kulturführung bedeutend aufwändiger im Vergleich zum Freilandanbau. „Es ist eine gärtnerische Kultur und wir nutzen die gleiche Technik wie niederländische Gewächshausbetriebe“, berichtet Ralf Hensen. Für dieses Jahr plant er den Bau einer Wasseraufbereitungsanlage, um dem Aspekt der Nachhaltigkeit noch besser als bislang gerecht zu werden. „Dabei setzen wir auf die Technik der Ultra-Filtration, die vergleichbar ist mit dem Einsatz einer Dialyse beim Menschen.“ Bisher setzt der Betrieb in Swisttal auf die Behandlung des Recyclingwassers durch UV-Bestrahlung. Das zukünftige System soll noch effizienter sein und Viren sowie Bakterien aus dem Wasser entfernen können.
Qualität des Wassers wichtig
Wassermanagement ist ein zentraler Faktor in der Kulturführung des Betriebes. „Wenn das Wasser keine optimale Qualität hat, beginnen die Pflanzen frühzeitiger zu altern. Brunnenwasser aus großer Tiefe ist oft besser geeignet als Oberflächenwasser, in dem zu viel Eisen oder Natrium gebunden ist. Man sollte schon genau hinschauen, auch wenn man auf den ersten Blick keinen Unterschied erkennt“, gibt der Betriebsleiter einen Tipp.
Nützlinge im geschützten Anbau
Im gesamten geschützten Anbau setzt der Betrieb Hensen Nützlinge ein, der finanzielle sowie auch arbeitstechnische Aufwand ist enorm. Wenn dann, wie im vergangenen Jahr im August, als die Bestände noch voll im Ertrag waren, der Befall durch Kirschessigfliegen zu einem echten Problem wird, muss chemisch eingegriffen werden – mit der Folge, dass der Nützlingsbestand deutlich in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei einer Durchkultur ist das Problem von Schäden an der Kultur oder im Nützlingsbestand wesentlich geringer als beim Anbau mit Remontierern, die von Mai bis Ende Oktober beerntet werden.
Breites Sorten- und Anbauspektrum
Das Anbau- und Sortenspektrum des Betriebes ist beachtlich. Es reicht von der Verwendung wurzelnackter Pflanzen über Minitrays bis hin zu Traypflanzen u. a. und bei den Sorten von `Elsanta´ über `Lady Emma´, `Opera´, `Parlando´, `Apricia´, `Sibila´, `Florina´, `Malga´ bis hin zu `Malling Ace´ und `Harmony´. Nur durch ein ausgeklügeltes System verschiedener Sorten, Anbausysteme und Pflanztypen ist es möglich, die Erntemengen bedarfsgerecht auf die Nachfrage der Kunden abzustimmen.
Jahresplanung wichtig
Ohne eine detaillierte Ganzjahresplanung und eine Kiloplanung ist ein Unternehmen wie der Fruchthof Hensen nicht zu führen. „Wir versuchen eine möglichst genaue und an den Bedarf der Kunden angelehnte Planung hinzubekommen, aber das gelingt nicht immer“, erklärt Ralf Hensen. Jeden Dienstag wird während der Saison für sieben Folgetage ein Plan erstellt, auf dem die Ertragserwartungen für die einzelnen Tage verzeichnet sind. Meist fällt die Erntemenge etwas höher als erwartet aus. Die Übermengen müssen dann über den Großmarkt vermarktet werden. „Das kostet zwar auch Geld, ist aber besser, als die prognostizierten Mengen nicht liefern zu können“, räumt Ralf Hensen ein.
Kosten im Blick halten
Wie blicken der Betriebsleiter und seine Frau in die Zukunft? „Wichtig ist, dass wir unsere Kosten im Griff haben, und dabei spielen die Lohnkosten eine zentrale Rolle.“ Obwohl Ralf Hensen oft aus dem Bauch heraus entscheidet, schaut er immer auf die Zahlen. Dabei spielt die Relation zwischen Lohnkosten und Umsatz einer Kultur immer eine besondere Rolle. Liegt der Lohnkostenanteil über 30 %, schaut er noch mal genau hin, wobei bei Direktvermarktung der Lohnkostenanteil manchmal auch bei 50 % und darüber liegen kann. „Aber am Ende muss das Verhältnis stimmen, und so sind wir ganz schnell auf die Stellagen gestoßen.“
Durch Investitionen in Technik und Produktionsverfahren ist es dem Betrieb im vergangenen Jahr gelungen, trotz 20 % Lohnerhöhung die Lohnkosten auf dem Niveau des Vorjahres zu halten, weil die Effizienz deutlich verbessert werden konnte. „Natürlich sollte vor jeder Investition geprüft werden, ob sie ins Betriebskonzept passt und sich rechnet. Und natürlich wollen wir auch, dass unsere Mitarbeiter gut verdienen und zufrieden nach Hause fahren“, unterstreicht der Betriebsleiter.
Auch Preise in Bewegung
Doch nicht nur bei den Kosten, sondern auch bei den Preisen hat sich etwas geändert. So ist aus seiner Sicht die abgelaufene Saison recht positiv verlaufen. „Wenn wir im Einzelhandel 2,50 € für eine 400-g-Schale erhalten, muss der Kunde bis zu 4,50 € zahlen, das entspricht 11 €/kg. Ich glaube, dass damit eine gewisse Schwelle erreicht ist und wir sollten bei der Preisgestaltung neben unseren Kosten auch die Kunden im Blick haben. Wichtig ist, dass wir nur das produzieren, was der Markt braucht, denn die Folgen einer Überproduktion hat die gesamte Branche in den vergangenen Jahren immer wieder schmerzhaft erfahren müssen.“
Und nochmal zurück zur Frage, wie aus Sicht von Ralf Hensen die Zukunft aussieht? Nach seiner Auffassung wird sich die Obst- und Gemüseproduktion in Deutschland stark verändern und möglicherweise in Richtung Hydrokultur-Farmen gehen. Die Klimaveränderung, extreme Wetterereignisse oder Wassermangel könnten diesen Wandel beschleunigen.
Und ist die Freude an der Arbeit noch wie vor Jahren vorhanden? „Wir haben das große Glück, mit einem Produkt zu arbeiten, dass uns allen Spaß macht. Wir pflanzen etwas, sehen wie es wächst, ernten es und bereiten vielen Menschen damit eine Freude. Bei allem berechtigten Unmut über Bürokratie, Umgang mit Behörden und vielen weiteren Dingen, die nicht so laufen, wie wir es wünschen, dürfen wir das nicht vergessen. Schließlich bewahren viele Kunden bei den Erdbeeren nach wie vor ihren Bezug zum Erzeuger vor Ort oder zum regionalen bzw. deutschen Produkt – das ist ein großes Plus für uns“, resümiert Ralf Hensen.
Thomas Kühlwetter
(Artikel aus SEP 02/24)