11.04.2024

17. Rheinischer Direktvermarktertag

Direktvermarkter im Gespräch

Die Referenten vor der Kulisse des Klosters Kamp: Carsten Hinkel-Stallmann, Marius Kivelitz, Dr. Alexander Westphal, RLV-Vizepräsident Paul-Christian Küskens, Carina Steinhaus, Dr. Johannes Simons und Klaus Bird (v.l.n.r.).
Foto: Aldenhoff

Endlich wieder Direktvermarktertag! Zahlreiche Interessierte aus dem ganzen Rheinland und die Veranstalter, die Landwirtschaftskammer NRW und der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV), freuten sich, dass nach der coronabedingten Absage im Jahr 2020 die bewährte Veranstaltung nun wieder stattfinden konnte. Am 5. März 2024 gab es zunächst einen Vortragsteil in der „Alten Scheune“ des Hauses Bieger direkt am Kloster Kamp, bevor es auf den wenige Kilometer entfernten Biolandhof Frohnenbruch der Familie Bird zur Besichtigung ging.

RLV-Vizepräsident Paul-Christian Küskens begrüßte die Teilnehmer mit den Worten: „Sie als Direktvermarkter genießen ein hohes Vertrauen der Verbraucher, für diese gesunde und nachhaltige Lebensmittel zu produzieren. Sie geben den Mitteln zum Leben ein Gesicht!“ Gerade im dicht besiedelten Rheinland sei die Chance für eine regionale Direktvermarktung groß und die Landwirtschaft hätte in den letzten zweieinhalb Monaten überwiegend positive Resonanz aus der Öffentlichkeit erfahren.

Steuerrecht und Wirtschaftsberatung
Über aktuelle Fragen des Steuerrechts für Direktvermarkter informierte Marius Kivelitz, PARTA Steuerberatungsgesellschaft. So erläuterte er den Stand des Verfahrens beim Wachstumschancengesetz, das Mitte November 2023 vom Bundestag beschlossen wurde, nach dem Beschluss des Vermittlungsausschusses im Februar einige Änderungen erfuhr und am 22. März 2024 noch durch den Bundesrat musste.

Der Steuersatz in der Gastronomie, der befristet gesenkt worden war, sollte Gegenstand der Erörterungen im Vermittlungsausschuss werden. Nach aktuellem Stand gibt es keine Verlängerung, seit 1. Januar 2024 gilt also 19 % für Restaurantleistungen und 7 % bei Lieferung von Speisen. Diese Steuersätze gelten auch für die Beköstigung von Arbeitnehmern. Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes soll ab 2025 schrittweise die eRechnung für Rechnungen zwischen Unternehmern eingeführt werden, mit dem Ziel, Umsatzsteuerbetrug vorzubeugen. Hier empfahl der Referent den Betrieben, sich rechtzeitig nach passender Software umzusehen. Wichtig: ein PDF ist keine eRechnung! Eine eRechnung ist ein strukturierter Datensatz in elektronischer Form. Diese wird künftig die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sein.

Was die PARTA Wirtschaftsberatung ihren Mandanten im Falle eines Betriebskaufs oder einer ähnlich großen Investition als Unterstützung im Kalkulations- und Entscheidungsprozess bieten kann, stellte anschließend Carsten Hinkel-Stallmann vor. Die vor fünf Jahren gegründete Tochtergesellschaft der PARTA ist auf betriebswirtschaftliche Beratung spezialisiert. Dies umfasst Investitions- und Übernahmeplanungen, Liquiditäts- und Rentabilitätsplanungen sowie Deckungsbeitrags- und Kostenrechnungen einzelner Betriebszweige. Außerdem gibt es Beratung bei Finanzierungsfragen und Unterstützung bei Bankverhandlungen.

Aktuelle Rechtsfragen
Dr. Alexander Westphal, Syndikusrechtsanwalt beim RLV, der die Veranstaltung moderierte, widmete sich in seinem Vortrag aktuellen Rechtsfragen der Direktvermarktung. So gibt es seit dem 1. Februar 2024 eine Neuerung bei der Herkunftskennzeichnung für unverpacktes Fleisch, die auch Hofläden betrifft. Was bisher für Rindfleisch bereits üblich war, wird nun in § 4b Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) für „nicht vorverpacktes, frisches, gekühltes und gefrorenes Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch“ geregelt. Der Direktvermarkter darf solche Lebensmittel nur in den Verkehr bringen, wenn deren Herkunft gekennzeichnet wird. Einzelheiten dazu finden sich in einem Merkblatt des Deutschen Fleisch-Verbandes (DFV), das im Internet zu finden ist.

Beim Thema Baurecht war Dr. Westphal in seinem Element. Er empfahl den Zuhörern dringend, Behörden stets von Anfang an mit einzubeziehen, sich einen Architekten zu suchen, der sich mit landwirtschaftlichen Projekten auskennt und erst einmal eine Bauvoranfrage zu stellen. Falls für das Vorhaben keine Baugenehmigung notwendig ist, so sollte man dennoch beim Bauamt nachfragen, was es sonst noch zu beachten gibt, beispielsweise Wasserrecht oder Naturschutz.

Neu im Landesbaurecht ist § 42a BauO NRW Solaranlagen, der eine Solaranlageninstallationspflicht bei Neubauten von Nichtwohngebäuden seit 2024, von Wohlgebäuden ab 2025 und bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut eines Gebäudes ab 2026 vorsieht. Im Baugesetzbuch des Bundes wurde zum Januar 2023 die Privilegierungsvorschrift für PV-Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen erweitert (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b BauGB). Neu eingefügt wurde auch ein Absatz zu Agri-PV-Anlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB).
Was die Ausweitung der Mautpflicht auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t technisch zulässiger Gesamtmasse zum 1. Juli 2024 betrifft, so sei noch nicht geklärt, ob die landwirtschaftliche Direktvermarktung von der so­genannten „Handwerkerausnahme“ profitieren kann, betonte Dr. Westphal.

Kundenbindung als Schlüssel zum Erfolg
Wie sich Kunden erfolgreich binden lassen, erläuterte Carina Steinhaus, Landservice-Beraterin der Landwirtschaftskammer NRW. Die Investition in Kundentreue lohne sich immer, denn Stammkunden lassen deutlich mehr Geld im Laden als Neukunden und die Neukundenakquise koste mehr als die Kundenbindung. Ziel der Kundenbindung ist es, die Kundenbeziehung zu pflegen und wiederkehrende Geschäfte zu generieren. Als Direktvermarkter sollte man sich fragen, warum die Kunden zu einem kommen. Dabei spielen Emotionen, Geschichten und der nette Plausch mit dem Verkaufspersonal eine Rolle, aber auch kleine Geschenke oder Probierangebote. So empfindet der Kunde Vertrauen, Zufriedenheit und Verbundenheit mit dem Hof, sodass auch zugekaufte Produkte mit Hoflabel gut angenommen werden.

„Direktvermarkter stehen heute Kunden gegenüber, die sich spontan und individuell ernähren, die Convenience-Produkte als Alltagsentlastung schätzen, die zwischen verschiedenen Angebotsformaten (LEH, Discount, online, Hofladen) vagabundieren, die aufgeklärt und kritisch sind und ihre Ernährungsphilosophien ausleben“, erläuterte Steinhaus.

Wichtig ist, die eigene Zielgruppe zu definieren und auf deren Bedürfnisse und Lebensstil einzugehen. Niemals könne man alle erreichen, aber die gewünschte Zielgruppe sollte optimal umworben und gepflegt werden. Dazu gehören selbstverständlich eine freundliche Atmosphäre und besondere Einkaufserlebnisse. Das Personal sollte im zuvorkommenden Umgang mit den Kunden sowie in der aktiven Ansprache mit dem Ziel Zusatzverkäufe geschult sein. Bedeutsam sei auch der Online-Auftritt des Hofladens, dessen Aktualität stets überprüft werden sollte.

Als Fazit gab die Referentin den Direktvermarktern mit auf den Weg: „Stammkäufer sind Ihre wichtigste Klientel! Kundenbeziehungen müssen gepflegt werden. Gestalten Sie die Kundenbindung aktiv!“ Ziel sei es, profitable Kunden dauerhaft zu binden und deren Rentabilität noch zu erhöhen, sprich die Summe auf dem Kassenbon zu vergrößern.

Der rätselhafte Verbraucher
Dass Ergebnisse von Umfragen und das Kaufverhalten von Kunden nicht zusammenpassen, wirft immer wieder Fragen auf, die Dr. Simons, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn, in seinem munteren Vortrag zu klären versuchte. Dafür regte er einen Perspektivwechsel an. Menschen aus der Landwirtschaft könnten oft nicht verstehen, dass Verbraucher so wenig Ahnung von Landwirtschaft haben. In anderen Bereichen, Beispiel Kleidung, seien Landwirte meist selbst „ahnungslose Verbraucher“. Auch wenn man keine Ahnung hat, müsse man sich irgendwie orientieren und da helfen den Landwirtschafts-Laien dann Schemata wie „gut“ für Natürlichkeit, Regionalität, Familienbetrieb und „schlecht“ wie Chemie, Massentierhaltung, Agrarfabriken. „Der Verbraucher kann nicht beurteilen, ob unsere Argumente richtig sind. Aber man braucht kein Detailwissen, um eine Meinung zu haben“, gab der Referent zu bedenken.

Im vordergründig widersprüchlichen Verhalten der Verbraucher liege aber auch eine Chance für die Direktvermarktung, die in einem wettbewerbsstarken Umfeld stattfindet, meint Dr. Simons. Mit dem Wissen um die versteckten Sehnsüchte der Kunden könne man sich vom Massenmarkt abheben. Allerdings bediene auch der Lebensmitteleinzelhandel mit entsprechenden Initiativen beispielsweise den Bedarf an Regionalität. Hier sollte man sich fragen: „Was kann meine Direktvermarktung bieten, was der Wettbewerb nicht hat? Worin bestehen die Stärken meines Betriebes?“ Dafür gibt es keine pauschale Empfehlung, denn jeder Betrieb und sein Umfeld ist einzigartig.

Spannender Hofrundgang
Der abschließende Besuch des Biolandhofs Frohnenbruch war für die ursprünglich im Jahr 2020 geplante Veranstaltung auch schon vorgesehen gewesen. Aber der Aufschub hatte sein Gutes, denn in den letzten zwei Jahren hat die Familie Bird kräftig investiert und so hatten die Teilnehmer des Direktvermarktertages die Gelegenheit, die gläserne Metzgerei, den neuen Hofladen sowie das neue Café kennenzulernen.

Sabine Aldenhoff

(Artikel aus SEP 02/24)